Irmgard von Czarnowski (Mitte) ist froh über die Unterstützung, die sie in ihrer Wohnung und in der Caritas-Tagespflege bekommt. Für Jutta Hemmerich (l.) und Birgit Rameckers vom Caritasverband zeigt die 88-Jährige, wie man gut mit zunehmender Pflegebedürftigkeit umgehen kann.Caritas / Balsen
88 Jahre ist Irmgard von Czarnowski vor Kurzem geworden, und wenn sie zurückblickt, zieht sie ein zufriedenes Zwischenfazit: "Ich habe ein schönes Leben gehabt. Ich hatte einen wunderbaren Mann und eine wunderbare Ehe", lächelt die verwitwete Kempenerin. Sie selbst hat gesundheitlich schwierige Zeiten hinter sich: Nach einer schweren Blasenkrebserkrankung hat sie seit fast sechs Jahren einen künstlichen Ausgang. Seither nimmt sie Leistungen der Caritas-Pflegestation Kempen in Anspruch. Vor vier Jahren dann verkaufte sie ihre Eigentumswohnung und zog ins Betreute Wohnen im "Haus Wiesengrund". Und seit gut zwei Jahren schließlich besucht sie mehrmals in der Woche die dort ansässige Caritas-Tagespflege. Hier verbringt sie den Tag gut betreut mit anderen älteren Menschen. Auch die Mahlzeiten nimmt sie gemeinsam mit den übrigen Gästen ein.
"Ich lasse mich nicht gern bedienen, aber ich muss einsehen: Es geht nicht mehr so", erzählt Irmgard von Czarnowski, die inzwischen Pflegegrad 4 hat. Ihre beiden Söhne wohnen weit weg. Außerdem sagt sie: "Mein Vater lebte jahrelang mit uns in der Wohnung, und für mich stand immer fest: Das machst du nicht. Die Kinder haben ihr eigenes Leben." Für sie ist die zunehmende Pflegebedürftigkeit ein Prozess, der nicht einfach sei: "Man muss sich viel eingestehen", so die dreifache Großmutter, die sogar schon einen Urenkel hat. Sie rät anderen Seniorinnen und Senioren dazu, stets das Positive zu sehen, Unterstützungsangebote frühzeitig in Anspruch zu nehmen und dabei so selbstständig wie möglich zu bleiben. "Mir tut das sehr gut", erklärt sie.
Jutta Hemmerich kann das nur unterstreichen. Irmgard von Czarnowski lebe vor, wie ältere Menschen mit dem Thema der eigenen Pflegebedürftigkeit gut umgehen und Unterstützungssysteme schrittweise nutzen könnten, sagt die Bereichsleiterin für ambulante und teilstationäre Pflege beim regionalen Caritasverband. Es sei gut, wenn sie sich trauen, geeignete Angebote auszuprobieren, und sich darauf einlassen - mit dem klaren Ziel, möglichst lange in der vertrauten Umgebung zu bleiben und selbstbestimmt zu sein.
Die aktuelle Entwicklung jedoch sehe leider anders aus, so Jutta Hemmerich. "Wir stellen fest, dass wir sowohl in der ambulanten wie auch in der stationären Pflege eine deutlich kürzere Verweildauer als noch vor wenigen Jahren haben", berichtet die Fachfrau. Anders ausgedrückt: Die Menschen kommen erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. "Wir bekommen immer mehr Anfragen mit Situationen, die wir selbst mit komplexen Versorgungssystemen kaum noch auffangen können", erklärt Hemmerich. Die Betroffenen und ihre Angehörigen müssten dann eine riesengroße Veränderung auf einen Schlag verkraften: "Das ist häufig schon zu viel, was eine Familie vertragen kann an fremden Personen, die plötzlich zu unterschiedlichen Zeiten durchs Haus laufen, um den pflegebedürftigen Menschen zu versorgen."
Häufig werde über einen langen Zeitraum lediglich eine Minimalversorgung in Anspruch genommen - vermutlich auch aus Scheu vor den Kosten von Pflege, wie Caritas-Pflegefachkraft Birgit Rameckers meint. Darunter leide oft die Lebensqualität der älteren Menschen. Dabei könnten viele von ihnen wunschgemäß bis zum Tod zu Hause leben, wenn sie entsprechend unterstützt würden. Das unterstreicht Jutta Hemmerich: "Die Frage lautet: Wie können wir die Eigenständigkeit erhalten, indem wir kleinere Hilfsnetzwerke aufbauen und fördern, beispielsweise durch den Einbezug von Nachbarn und ehrenamtlich Engagierten. Je länger man wartet, desto größer ist die Gefahr, dass am Ende andere bestimmen, was passiert", erklärt die Caritas-Bereichsleiterin.
Einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit kann man bei seiner Krankenkasse stellen. Darüber hinaus beraten die Pflegedienste zu Unterstützungsmöglichkeiten im häuslichen Bereich, so auch die sechs ambulanten Caritas-Pflegestationen im Kreis Viersen. Darüber hinaus unterhält der regionale Caritasverband fünf Tagespflegen für ältere Menschen. "Hier muss ich mich um nichts kümmern, ich bin unter Menschen, habe Beschäftigung, bekomme Frühstück und werde mittags frisch bekocht. Ich kann mich in der Tagespflege so richtig fallen lassen", schwärmt Irmgard von Czarnowski. Jutta Hemmerich: "Einfach mal ausprobieren und einen Schnuppertag in einer Tagespflege verbringen. So wird die Pflege auf mehrere Schultern verteilt."